Mit nur einer Niederlage in den ersten sieben Spielen ist der FC St. Gallen 1879 in die Saison gestartet. Nur zwei Punkte trennen ihn vom Spitzenreiter – der allerdings ein Spiel weniger hat. „Wir hatten in dieser Vorbereitung praktisch keine Verletzungen“, sagt Simon Storm, Athletiktrainer bei den St. Gallenern. Und gibt damit einen Hinweis, warum der Saisonstart gut lief: die Mannschaft ist topfit. Im Interview haben wir mit Storm über das Pre-Season-Screening beim FCSG gesprochen – und er hat verraten, wo er noch Potentiale sieht.
OSINSTITUT: Die Saison bei euch läuft schon wieder – ich würde aber gerne einen Schritt zurück gehen. Wie sieht bei euch ein Pre Season Screening aus?
Simon Storm: Bei den Profis haben wir ein Pre-Season Screening nach unserem eigenen Gusto gestaltet. Der Y-Balance, Front Hop und Side Hop sind davon fixe Bestandteile, dazu Bunky-Test und verschiedene Krafttests mit der Kraftmessplatte. Auf den Square Hop haben wir aus zeittechnischen Gründen verzichtet. Y-Balance, Front und Side Hop sind für uns aber extrem wichtig. Unter anderem ziehen wir sie zur Steuerung der Reha heran.
OSINSTITUT: Das heißt ihr nutzt die Werte aus dem Screening als Baselinewerte?
Simon Storm: Genau. Zum einen, damit wir von Jahr zu Jahr vergleichen können. Aber natürlich auch, damit wir im Falle einer Verletzung wissen, wo der Spieler stand und wo er wieder hinmuss. Oft haben die Spieler nach der Reha sogar noch bessere Werte als vorher.
OSINSTITUT: Macht ihr – unabhängig von Verletzungen – Folgescreenings während der Saison?
Simon Storm: Wir machen unsere Screenings zweimal im Jahr. Wenn wir aber einen Spieler haben, mit dessen Screening-Ergebnis wir nicht zufrieden waren oder wo wir viele Defizite gesehen haben, dann arbeiten wir mit ihm und machen nach einiger Zeit nochmal ein Re-Test außer der Reihe.
OSINSTITUT: Welche Konsequenzen zieht ihr aus den Screening-Ergebnissen?
Simon Storm: Aus dem Mannschaftsscreening ziehen wir im Grund zwei Sachen: Wo sind die größten Defizite generell in der Mannschaft und welche individuellen Defizite haben die einzelnen Spieler. Bei der Vorbereitung aufs Training bereiten sich die Spieler teilweise geführt und teilweise individuell vor. In den geführten Einheiten richten wir den Fokus auf die Potentiale, die wir in der Mannschaft ausgemacht haben. Für das individuelle Training haben wir ein Tool, in dem wir jedem seinen individuellen Trainingsplan mit Übungen zur Verfügung stellen können. Diesen müssen die Spieler dann selbstständig umsetzen. Je nachdem, was das Screenning uns gezeigt hat, müssen die Spieler individuell arbeiten, zum Beispiel an der Mobilität, der Beweglichkeit, der Kraft, vielleicht aber auch an der Sprungtechnik. Und so kann es auch mal vorkommen, dass ein paar Jungs noch trainieren, während andere schon frei haben. Von Saison zu Saison funktioniert das immer besser. Wir haben diese Saison einen richtigen Schritt vorwärts gemacht.
OSINSTITUT: Wie dokumentiert ihr eure Ergebnisse? Wie arbeitet ihr bei den Screenings?
Simon Storm: Für die Dokumentation nutzen wir euer Tool, die Rehab App, in der wir die Daten pflegen. Beim Screening selbst setzen wir zum Beispiel bei den Hop-Tests auch Kameras ein. Zum einen, weil sich dann die Fehler bei der Ausführung besser zählen lassen, aber auch, um die Qualität der Sprünge beurteilen zu können.
OSINSTITUT: Wie wird das von den Spielern angenommen, gerade auch die Eigenverantwortung des individuellen Trainings?
Simon Storm: Das ist ganz unterschiedlich. Wir erklären natürlich immer, warum wir etwas machen und der Großteil der Mannschaft zieht richtig gut mit. In der Regel verstehen die Spieler den Sinn und merken ja selbst, wenn etwas nicht so gut läuft oder sehen es anhand der erhobenen Daten – und bemerken auch Verbesserungen. Bei manchen Spielern ist aber trotzdem ein tägliches Pushen nötig. Diese Spieler muss man etwas mehr an die Hand nehmen als andere. Generell ist es aber so, dass man drei, vier oder auch fünfmal etwas ansprechen kann. Wenn es ein Spieler dann immer noch nicht begriffen hat, setzt in gewisser Weise eine natürliche Selektion ein. Diese Spieler fallen einfach oft durchs Raster, denn das Muster zieht sich oft auch durch Training oder Wettkampf. Das sind häufig die Spieler, die nicht an die Leistungsgrenze gehen. Eine deutliche Ansprache schafft hier oftmals Abhilfe, aber man kann niemanden zu seinem Glück zwingen. Es muss eine gewissen Bereitschaft vom Spieler da sein. Diesen Typus hat man aber überall, unabhängig vom Fußball.
OSINSTITUT: Macht sich die Arbeit in der Verletztenstatistik bemerkbar?
Simon Storm: Letzte Saison haben wir es nicht so sehr gemerkt, da waren wir allerdings auch noch nicht so eingespielt. Wir haben uns aber selbst reflektiert und sind zu dem Schluss gekommen, dass wir in diesem Bereich noch einen großen Schritt nach vorne machen müssen. In diesem Jahr habe ich schon den Eindruck, dass es sich bemerkbar macht. In der Vorbereitung hatten wir so gut wie keine Verletzung. Jeder Spieler, der neu dazugekommen ist, muss das Screening durchlaufen, sodass wir vom ersten Tag an seinen Potentialen arbeiten können.
OSINSTITUT: Wie handhabt ihr das Thema Pre-Season-Screening im Nachwuchsbereich?
Simon Storm: Aktuell haben wir im Nachwuchs eine große Umstellung gehabt. Ziel ist es, dass wir zukünftig mindestens in der U21 und der U19 das komplette Screening machen. Wir möchten ab einem gewissen Alter einen gewissen Standard fahren. Wenn dann ein Spieler im Idealfall den kompletten Weg von der der U19 über die U21 bis zu den Profis durchläuft, gibt es schon Daten der letzten zwei, drei Jahre. Mit denen können wir arbeiten und kennen den Spieler und seine Entwicklung. Im optimalen Fall kommt der Spieler natürlich schon ohne größere Defizite in die erste Mannschaft.
Ferner haben wir im Verein einen Talentepool, da können auch schon mal 15- oder 16jährige dabei sein. Diesen Pool wollen wir ebefnalls screenen. Das ist aktuell noch in der Entstehung, sollte bis Weihnachten aber integriert sein, sodass es sich ab dann einspielen kann.
Das Gespräch führte Nils Borgstedt
Bild: ©Simon Storm
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