Nachgefragt
Bewegunsqualität fassbarer machen - Interview mit Matthias Keller

Im Interview gibt Matthias Keller einen Einblick in seine Gedanken zum Themenkomplex Bewegungsqualität. Dabei konzentriert er sich auf die untere Extremität und verrät, warum ihm zum Beispiel der Valgus im Knie oft zu viel Beachtung erfährt.

Du beschäftigst dich schon lange mit dem Thema Bewegungsqualität. Was treibt dich an?

Die Beurteilung und Interpretation von Haltung und Bewegung ist seit jeher eine Domäne der Physiotherapie und Bewegungswissenschaft. Wir alle wissen, dass es ein sehr wichtiger Baustein ist, Bewegungen für Prävention und Rehabilitation zu analysieren. Leider wird es sehr schnell schwammig, wenn es um die Qualität geht. Wir sprechen dann von einer guten Beinachse oder einem instabilen Kniegelenk bei der Kniebeuge. Das ist nicht wirklich konkret; Das können wir besser. Mir ist es ein Anliegen, die Qualität besser zu fassen und klarer zu beschreiben – für den klinischen Alltag und auch um unseren Berufsstand weiter zu bringen.

Wir müssen auf eine gute Bewegungsqualität bei Tests und Übungen achten. Wie kann das gelingen, welche Instrumente kann man dafür nutzen?

Wenn es um Tests geht, dann kann man diese grob in quantitativ und qualitativ einordnen. Bei quantitativen Tests bekomme ich Zahlenwerte, mit den ich rechnen kann, und habe somit eine mathematische Beurteilung. Ein paar Beispiele: Beim Front Hop Test bekomme ich ein Ergebnis in Zentimeter, beim Side Hop Test zähle ich die Anzahl an korrekten Kontakten und Fehlern. Auch an der Isokinetik oder Kraftmessplatte erhalte ich konkrete Werte. Aber: Die Qualität spielt bei diesen Tests meist eine untergeordnete Rolle. Um die Bewegungsqualität zu überprüfen, gibt es andere Instrumente. Beispielsweise hat sich der LESS etabliert, um die Landung nach einem Sprung zu beurteilen. Es handelt sich um ein Score System, mit dem einzelne Abschnitte bei der Landung klar beurteilt werden können.



Ähnlich sieht es bei den qualitativen Tests des RTAA® aus...

Ja, genau. Uns war es wichtig, dass wir für jedes Level einen quantitativen und einen qualitativen Test haben. Damit beurteilen wir auf der einen Seite eher die Leistungsfähigkeit und auf der anderen Seite die motorische Kontrolle und die Kapazität, Bewegungen im Low Threshold Bereich umzusetzen.

Bei der unteren Extremität ist dabei der Valgus im Knie ein großes Thema, oder?

Zumindest wird er sehr oft beurteilt, ja. Das haben wir dieses Jahr in einem Review über Bewegungsqualität zeigen können. Die meisten Autoren beurteilen die Beinachse in der Frontalebene. Das ist mir persönlich zu wenig. Oft findet man Kompensationen im Rumpf, der Hüfte oder im Oberkörper. Leider wird ein Valgus auch oft überbewertet. Ein leichter Valgus ist physiologisch bei einer Kniebeuge. Es muss uns darum gehen, den motorischen Unfall zu identifizieren und nicht darum, ein Grad Abweichung zu diskutieren.

Keine Messung, kein Test ohne Konsequenzen. Was mache mit meinen Ergebnissen?

So sieht es aus. Aufgrund einer Bewegungsanalyse können wir sehr gut Rückschlüsse auf Potentiale ziehen. Ich erhalte Informationen, um individuelle Übungen auszusuchen und dann besten Trainingsplan zu erstellen. Im Übrigen ist jedes Training für mich eine eigene Analyse. Nichts ist einfacher, als Bewegungsqualität beim Training selbst zu beurteilen. Das Coaching ist dann die unmittelbare Konsequenz. Das ist ein in sich geschlossener Kreislauf.


Das könnte dich auch interessieren