Studie
Wiederkehrende Muskelverletzungen im Australian Rules Football - Risikofaktoren

Leisten- und Muskelverletzungen der unteren Extremität zählen in allen Arten des Fußballs (auch dem Australian Rules Football) und im Eishockey zu den häufigsten Verletzungen. Das sind die Risikofaktoren.

In zwei groß angelegten Kohorten-Studien der Australian Football League (AFL) und der Union der Europäischen Fußballverbände wurden die Risikofaktoren für Muskelverletzungen untersucht. Ein frühere Verletzung wurde in beiden Studien als größter Risikofaktor für eine Muskelverletzung ausgemacht. Weitere Risikofaktoren sind eine schwache Muskulatur, Verletzungen des vorderen Kreuzbandes, Überlastung, die Zunahme von Geschwindigkeitsläufen und die genetischen Voraussetzungen. 

Ziel der vorliegenden Studie war die weiterführende Untersuchung von Risikofaktoren für Muskelverletzungen des Oberschenkels (Vor-und Rückseite), der Wade und der Leistenmuskulatur bei professionellen AFL-Spielern. Besonderes Augenmerk legten die Wissenschaftler auf die Beziehung zwischen einer Erstverletzung und dem Risiko der Widerverletzung in der Zeit nach der Rückkehr in den Wettkampf.

Methodik

Die Daten zur Analyse stammen aus der Datenbank der AFL der Jahre 1992 bis 2014 und umfassen 3647 neue und alte Muskelverletzungen aus 272.759 Spielen von 3200 Spielern. Davon betrafen 1936 die Oberschenkelrückseite, 418 den Quadrizeps, 458 die Wade und 839 die Leiste.

Eine Verletzung wurde hier gemäß dem AFL Verletzungsüberwachungssystem definiert als „ein Zustand, der so schwerwiegend war, dass ein Spieler entweder ein Spiel in der regulären Saison oder in den Finals verpasste“. Eine Muskelverletzung im Speziellen ist hier definiert als jedwede klinisch identifizierbare Verletzung einer Muskelgruppe, ausgenommen Kontaktverletzungen wie Prellungen und Schnittwunden. 

Ergebnis

Bei allen Muskelverletzungen ist der größte Risikofaktor eine vorangegangene Verletzung. Bei Wadenverletzungen stellte zudem das Alter der Spieler einen unabhängigen Risikofaktor dar, bei Verletzungen der Oberschenkelrückseite konnte ein erhöhtes Risiko mit der indigenen Herkunft von Spielern assoziiert werden. Verletzungen des vorderen Kreuzbandes stehen mit Verletzungen der Oberschenkelrückseite in Verbindung.

Für alle Muskelgruppen ist das Risiko einer Re-Verletzung im ersten Spiel nach der Verletzung am höchsten, im zweiten Spiel am zweithöchsten. Die Rezidivrate sinkt von Woche zu Woche, allerdings ist das Risiko einer erneuten Verletzung insgesamt länger erhöht:

  • in der Oberschenkel Rückseite 15 Wochen, 
  • in der Oberschenkelvorderseite 15 Wochen,
  • in der Wade 18 Wochen und
  • in der Leiste 19 Wochen.
  • Verletzungen der Oberschenkelrückseite haben das höchste Risiko für eine frühere Wiederverletzung. Bei Wadenverletzungen ist das Risiko einer frühen Re-Verletzung am geringsten, allerdings treten sie zu einem späteren Zeitpunkt häufiger auf..

Zusammenfassung

Den größten Risikofaktor einer Verletzung stellen vorangegangene Verletzungen dar. Das Risiko einer erneuten Verletzung bei der Rückkehr zum Wettkampf ist für alle untersuchten Muskelgruppen (Oberschenkelvorder- und -rückseite, Wade, Leiste) mindestens 15 Wochen erhöht. Entsprechend vorsichtig sollten Spieler zurück in den Spielbetrieb geführt werden.

Kommentar

Die vorliegende Studie zeigt, dass das Risiko für eine Wiederverletzung nach vorangegangener Verletzung der gleichen Struktur oder auch einer anderen Verletzung erhöht ist. Dies könnte an einer veränderten Haltung und/oder einem veränderten Gang-/Lauf-/Belastungsstil liegen, aber auch an einem zu frühen Wiedereintritt in den Spielbetrieb. Mit Blick auf den Zeitraum von mindestens 15 Wochen des erhöhten Risikos für eine erneute Verletzung, sollten die Spieler langsam in den Spiel- und Wettkampfbetrieb geführt werden. Leider führen die Autoren nicht an, welche Maßnahme(n) dahingehend protektiv und supportiv wirken könnten. Es wird eine weitergehende Untersuchung benötigt, die klärt, welche Faktoren eine Wiederverletzung begünstigen und was zur Vorbeugung der rezidivierenden Verletzung beitragen könnte. Hilfreich wären hier unter anderem eine Ganganalyse, ein Test zur Erfassung der Belastbarkeit und aktuellen Leistungsfähigkeit des verletzten Muskels und Fragebögen zur Erfassung des aktuellen Befindens des Spielers. Dies soll einen zu frühen Wiedereinstieg vermeiden und damit das erhöhte Risiko einer erneuten Verletzung reduzieren.

Literatur:

Orchard JW, Chaker Jomaa M, Orchard JJ, et al Fifteen-week window for recurrent muscle strains in football: a prospective cohort of 3600 muscle strains over 23 years in professional Australian rules football British Journal of Sports Medicine 2020;54:1103-1107.

Text: Siri Goldschmidt

Bild: (c)openClipart-Vectors/Pixabay