Im Interview gibt Matthias Keller einen kurzen Einblick in die Gedanken hinter der Sprungmatrix, er verrät, welche Vorteile Therapeut:innen daraus ziehen können und gibt Literaturtipps für alle, die tiefer in das Thema einsteigen wollen.
Das Gewicht von einem Bein auf das andere zu verlagern, das nicht belastete Bein nach vorne zu schwingen, aufzusetzen und wieder Gewicht zu übernahmen und diese Bewegung zu kontrollieren, ist eine Grundvoraussetzung für Fortbewegung. So funktioniert Gehen. Je schneller und dynamischer es wird, desto höher sind die Anforderungen an den Körper – sowohl was Belastung als auch Kontrolle angeht. Entsprechend sind Sprünge in der Rehabilitation unabdingbar. Jedes Joggen ist im Grund eine Aneinanderreihung von Bounds. Mit der Sprungmatrix haben Matthias Keller und Dr. Eduard Kurz eine Systematisierung von Sprüngen geschaffen. Was dahinter steckt, wollten wir von Matthias Keller im Interview wissen.
Warum braucht es überhaupt eine Sprungmatrix?
Um jeden Patienten oder Sportler abholen zu können, wo er sich gerade befindet, benötigen wir Tools, die uns helfen, Sprünge klar zu benennen und zu kommunizieren. Je nach Pathologie, Trainingsziel und Anforderungsprofil können die Sprungübungen systematisch aufgebaut werden. Dabei unterstützt die Sprungmatrix, die eine Systematisierung von Sprungübungen darstellt. Es handelt sich um eine agile Systematik. Bei Sprüngen gibt es keine klare Progression oder Regression, dazu sind Sprünge zu komplex. Die Sprungmatrix besteht aus mehreren Achsen, mit verschiedenen Parametern, die sowohl die Belastung als auch die Qualität von Sprüngen beeinflussen, zum Beispiel Sprungform, Sprungrichtung, Landung, Störreize oder Frequenz.
Für einen Läufer nach Achillessehnenruptur stellt beispielsweise die Konzentrik von kleinen, einbeingen Sprüngen einen viel höhere Herausforderung dar als Niedersprünge mit beidbeiniger Landung. Für einen Handballer, der am Knie operiert wurde, ist dies vielleicht genau anders. Die Sprungmatrix kann mir helfen, für meinen Patienten die adäquate Sprungform zu finden.
Was zeichnet die Sprungmatrix konkret aus? Wie hilft sie mir als Therapeut weiter?
Durch die Kombination der einzelnen Achsen kann man sehr viele unterschiedliche Sprünge benennen. Das hilft zum einen bei der Planung und Steuerung der Rehabilitation. Sollten negative Reaktionen oder Probleme auftreten, kann sehr schnell reagiert werden und die Sprungübungen können wie an einem Mischpult angepasst werden.
Außerdem hilft die Sprungmatrix bei der Kommunikation – sowohl mit dem Patienten als auch interdisziplinär und zwischen Kollegen. Wenn jeder weiß, wovon die Rede ist, kann das Missverständnisse vermeiden und Verständnis fördern.
Wie sähe eine typische Progression der Sprünge während der Reha bei einem Kniepatienten aus (Kurzdarstellung Verlauf)?
Grundsätzlich gibt es für Sprünge Grundvoraussetzungen. Dazu gehören eine ausreichende aktive ROM, keine inadäquaten Entzündungsreaktionen – die Temperatur ist normal, es gibt keine Schwellung –, Muskelfunktion Grad >IV, Einbeinstand und kleine Parallel-Kniebeuge sind möglich.
Sind diese Punkte erfüllt, dann beginnen wir mit einfachen Sprungformen. Als erstes würde ein Bound oder Jump auf der Stelle kommen. Dann käme gegebenenfalls ein Sprung auf eine kleine Box. Durch die Erhöhung gibt es einen geringen Landeimpact auf das Knie, somit schütze ich die verletzte Struktur. Beherrscht der Patient den Bound, würde ich zum Hop übergehen. Nach und nach können dann die Frequenz und der Umfang erhöht werden. Wird Feedback oder Unterstützung benötigt, dann werden Korrekturreize eingesetzt. Erst zum Schluss können Störreize hinzugenommen werden.
Wenn ich mich näher mit dem Thema Sprünge in der Reha auseinandersetzten möchte, welche Publikationen kannst du mir empfehlen?
Um sich einen sehr guten Überblick über den Einsatz von Sprüngen in unterschiedlichen Therapieszenarien zu verschaffen, empfehle ich die Ausgabe 05 2021 der sportphysio aus dem Dezember 2021. Die komplette Ausgabe beschäftigt sich mit Sprüngen. Unter anderem stellen Dr. Eduard Kurz und ich die Sprungmatrix etwas genauer vor, aber auch internationale Experten wie Matthew Buckthorpe oder Sebastian Kneifel geben Einblick in ihre Arbeit. Matthew Buckthorpe wird übrigens ein englischsprachiges Onlineseminar bei uns halten: Im Februar wird er über die Gestaltung der Rehabilitation und des Return to Sport nach VKB Verletzungen sprechen.
Hier geht’s zur Ausgabe der Sportphysio: https://www.thieme-connect.de/...
Das Gespräch führte Nils Borgstedt
Das Interview wurde erstmals im August 2022 veröffentlicht.
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