Rehabilitation von Multiligamentverletzungen im Kniegelenk
Stichwort Multiligamentverletzungen - darum ging's im Onlineseminar

Am 09.11.2020 stand ein neues Onlineseminar auf dem Programm. Thema diesmal: Die Rehabilitation von Multiligamentverletzungen im Kniegelenk. Matthias Keller, Prof. Dr. med. Dr. rer. nat. Thomas Stein (SPORTHOLOGICUM®) und Sebastian Capel (Hamburger SV) teilten ihr fachliches Wissen und Erfahrungswerte aus physiotherapeutischer, ärztlicher und sportwissenschaftlicher Sicht.

Diagnostik und Versorgung von Mulitligamentverletzungen

Zu Beginn präsentierte Prof. Dr. med. Dr. rer. nat. Thomas Stein seine Vorgehensweise bei der Diagnostik und anschließenden konservativen oder operativen Versorgung nach Multiligamentverletzungen im Kniegelenk. Bei Multiligamentverletzungen sind laut Nomenklatur mindestens zwei Bänder im Kniegelenk verletzt. Aufgrund ihrer Komplexität und Heterogenität sind verschiedene Multiligamentverletzungen schwer miteinander zu vergleichen. Dementsprechend schwierig ist es auch, ein einheitliches Nachbehandlungsschema zu erstellen.

Die OP-Technik des „Bracings“ ermöglicht eine frühe Gelenksmobilisation mit Schutz der in Konsolidierung befindlichen Bänder. Weitere mögliche operative Behandlungen sind eine Ligamentrefixation oder eine Kombination aus beidem. Bei chronischen Beschwerden steht nahezu nur die Ligament-Rekonstruktion zur Verfügung.  Die konservative Nachbehandlung wird mithilfe von Orthesen unterstützt. Bei operativen und konservativen Nachbehandlungsschemata betonte Prof. Dr. med. Dr. rer. nat. Thomas Stein die Wichtigkeit der adäquaten Orthesenversorgung und die dafür notwendige Compliance der PatientInnen. 

Nachbehandlung von Multiligamentverletzungen

Im Anschluss zeigte Matthias Keller anhand eines Patientenbeispiels einen konkreten Nachbehandlungsverlauf. Er stellte den Rehaplan seines Patienten nach Vorgabe des Operateurs, den Kriterien der Wundheilungsphasen und den Rehazielen des Patienten vor. In den ersten sechs Wochen postoperativ ist nach Multiligamentverletzungen (hauptsächlich HKB und PCL Repair) zumeist keine aktive Kontraktion der Hamstrings erlaubt, da eine hintere Schublade verursacht werden kann und damit das operierte Gewebe gefährdet wird. Aktive Flexionsbewegungen werden daher in den ersten sechs Wochen passiv in Bauchlage durchgeführt, um ein Dorsalgleiten der Tibia zu verhindern. 

Drei Phasen der Nachbehandlung

Auch wenn eine Nachbehandlung sich an Funktionen und klaren Kriterien orientieren sollte, sind gerade bei komplexen Verletzungen zeitliche Orientierungen hilfreich, um Strukturen vor zu früher Belastung zu schützen.  Die zeitlichen Vorgaben sollten aber individuell mit dem Operateur abgestimmt sein. Kriterien- und zeitbasierte Protokolle können sich sehr gut ergänzen. 

  1. Phase (bis ca. 6 Wochen post-OP): Schutz des Gewebes und der Rekonstruktion sowie Steuerung des Vernarbungsprozesses
  2. Phase (7.–12. Woche): Wiedererlangen der motorischen Kontrolle
  3. Phase (12.-24. Woche): Optimierung der Funktion und Minimierung der muskulären Atrophie

Fallbeispiel aus dem Profi-Fußball

Sebastian Capel beleuchtete die Thematik Multiligamentverletzungen aus sportwissenschaftlicher Sicht. Er zeigte ein Fallbeispiel aus seinem Alltag als Reha-Trainer beim HSV: Ein Fußballspieler mit Verletzungen des vorderen, als auch hinteren Kreuzbands, des Innbandkomplexes sowie der medialen Kapsel. Insgesamt war der Spieler neun Monate außer Gefecht gesetzt und wurde vom Return to Activity bis zum Return to Competition therapiert. Der Rehaplan war stufenweise aufgebaut, sodass der Sportler nach sechs Monaten wieder mit einer Leistungswiederherstellung im Rahmen einer fußballspezifischen Rehabilitation beginnen konnte, um nach neun Monaten Verletzungspause sein Comeback im Team zu feiern.

  

Herzlichen Dank an die Dozenten und an alle TeilnehmerInnen für den interessanten und interaktiven Montagabend!