Nils Brendel ist Athletiktrainer der U19 und Leiter Athletik im Nachwuchsleistungszentrum des Karlsruher SC. Im Interview gibt er Einblicke in die Zusammenarbeit der verschiedenen Professionen und die besonderen Herausforderungen bei der Arbeit mit Nachwuchsathleten.
OSINSTITUT: Wie arbeitet ihr im NLZ? Wie läuft der interdisziplinäre Austausch?
Nils Brendel: Grundsätzlich stimmen wir uns sowohl wöchentlich in verschiedenen Sitzungen als auch täglich in klassischen Tagesmeetings ab. Die wöchentlichen Sitzungen finden immer montags statt und beginnen mit einer morgendlichen Besprechung aller Mitarbeiter im Nachwuchsleistungszentrum. Dabei werden sowohl die Ereignisse des vergangenen – oft ereignisreichen – Wochenendes als auch die Themen der kommenden Woche besprochen.
Am frühen Nachmittag folgt ein Meeting der Athletiktrainer und der medizinischen Abteilung, in dem jede Mannschaft detailliert durchgesprochen wird. Dabei klären wir Fragen wie: Welche Spieler sind verletzt? Wie ist der aktuelle Status der einzelnen Spieler? Welche Maßnahmen sind erforderlich, um sie so schnell wie möglich – aber gleichzeitig so behutsam wie nötig – wieder spiel- bzw. trainingsfähig zu bekommen?
Für die U19-Mannschaft, die ich mitverantworte, haben die Spieler täglich bis 11 Uhr Zeit, drei zentrale Fragen zu beantworten: wie ist der heutige Muskelstatus, wie war die Schlafqualität und wie hoch ist die Trainingsbereitschaft. Zudem können die Jungs auftretende Symptome melden. Direkt im Anschluss setzen sich unser Physiotherapeut und ich uns zusammen, um jeden Spieler individuell zu besprechen. So können wir dem Trainerteam frühzeitig Rückmeldung über das trainingsfähige Personal geben, was die Planung und Vorbereitung der Trainingseinheiten erheblich erleichtert.
Am frühen Nachmittag kommt das gesamte Trainerteam zusammen, um die Inhalte der jeweiligen Trainingswoche & -einheit im Detail zu besprechen
OSINSTITUT: Habt ihr feste Screenings auch schon im Juniorenbereich?
Nils Brendel: In der Grenke aKAdemie haben wir für alle Altersbereiche – Grundlagen-, Aufbau- und Leistungsbereich – eine standardisierte Testbatterie entwickelt, die auf unseren vorhandenen Möglichkeiten basiert und selbstverständlich auch funktionale Screenings umfasst.
OSINSTITUT: Wie oft pro Saison finden diese statt?
Nils Brendel: Jeder Spieler durchläuft die gesamte Testbatterie zweimal pro Saison. In Einzelfällen werden bestimmte Screenings bei Bedarf mehrfach als Re-Test durchgeführt.
OSINSTITUT: Welche Tests setzt ihr dabei ein?
Nils Brendel: Wie bereits erwähnt, variieren die Screening-Inhalte je nach Altersbereich. Zum standardisierten KSC-Screening gehören objektive Testmethoden wie der Knee-to-Wall-Test, der Square-Hop-Test und der Y-Balance-Test. Ergänzend nutzen wir auch subjektive Bewertungen von Bewegungsmustern aus dem FMS-Test, darunter die Analyse des klassischen Squats, des ASLR und des Hurdle Steps.
OSINSTITUT: Was macht ihr mit den Daten?
Nils Brendel: Zunächst werden die Ergebnisse in unsere interne Datenbank eingepflegt, um eine kontinuierliche Verlaufskontrolle zu gewährleisten. Anschließend analysieren wir die Potenziale der Spieler und erstellen digital einen individuellen Präventionsplan, den sie über eine App erhalten. Dadurch können die Spieler jederzeit und überall – sogar im Urlaub – an ihren individuellen Schwerpunkten arbeiten und die Zeit vor Trainingseinheiten gezielt für präventive Maßnahmen nutzen.
OSINSTITUT: Welche besonderen Herausforderungen gibt es bei der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen gerade hinsichtlich Wachstum, körperlicher Unreife zu beachten?
Nils Brendel: Die Arbeit mit ambitionierten Nachwuchsathleten im Leistungssport bringt neben den täglichen Herausforderungen auch viele Chancen mit sich. Dabei ist es essenziell, die biopsychosoziale Ebene der Spieler stets zu berücksichtigen. Die Jungs kommen aus unterschiedlichen sozialen Hintergründen, verzichten auf einen Großteil ihrer Freizeit, um beim KSC ihren Traum zu verfolgen, und bewältigen gleichzeitig den anspruchsvollen Schulalltag. Dies führt dazu, dass unser zeitlicher Zugriff auf die Spieler oft begrenzt ist – wodurch die vorhandene Nettotrainingszeit umso wertvoller wird.
Durch die tägliche Zusammenarbeit entsteht eine enge Bindung zu den Athleten, sodass wir häufig nicht nur Trainer, sondern auch erweiterte Bezugspersonen sind. Dies bringt eine pädagogische Verantwortung mit sich, die über das rein Sportliche hinausgeht.
Aus sportlich-physiologischer Sicht zeigt sich im Grundlagen- und Aufbaubereich des Nachwuchsleistungssports ein typisches Phänomen: Trotz eines ähnlichen chronologischen Alters unterscheiden sich die Spieler teils erheblich in ihrer biologischen Entwicklung. Daher bilden wir unter Berücksichtigung anthropometrischer Daten gezielte Trainingsgruppen, um athletische Inhalte alters- und entwicklungsgerecht zu vermitteln.
Im Leistungsbereich hingegen erleichtert eine homogenere Altersstruktur die Belastungssteuerung. Die Athleten verfügen über kurze Regenerationszeiträume, passen sich schnell an und zeigen eine hohe Widerstandsfähigkeit – Faktoren, die eine effiziente Trainingsgestaltung ermöglichen.
OSINSTITUT: Worauf achtet ihr bei der Ausbildung und Weiterbildung eures Staffs?
Nils Brendel: In unserem Athletikteam vereinen wir unterschiedliche Kenntnisstände, die uns wertvolle, differenzierte Perspektiven eröffnen und spannende Diskussionen ermöglichen. Dies trägt maßgeblich zur Qualität unserer Arbeit bei. Besonders für junge und unerfahrene Athletiktrainer haben unsere täglichen und wöchentlichen Sitzungen daher einen essenziellen edukativen Wert.
Bei externen Weiterbildungen legen wir großen Wert auf hochwertige Inhalte, eine renommierte Einrichtung und einen hohen Evidenzstandard. Gleichzeitig geht es uns nicht nur um theoretisches Wissen, sondern auch darum, den praktischen Umgang mit den Spielern und die soziale Kompetenz jedes Athletiktrainers gezielt zu fördern. Denn ein 14-jähriger Nachwuchsleistungssportler interessiert sich weniger für Studienergebnisse – für ihn steht die menschliche und emotionale Komponente in der Beziehung zum Athletiktrainer im Mittelpunkt.
OSINSTITUT: Einige von euch haben im vergangenen Jahr die Ausbildung zum OSCOACH gemacht. Wie setzt ihr RTAA® und PREHAB SCREEN® in eurer Arbeit um und ein?
Nils Brendel: Seitdem einige Teammitglieder im vergangenen Jahr die OSCOACH-Ausbildung absolviert haben, haben sich unsere inhaltlichen Diskussionen auf ein neues Niveau gehoben. Wir sprechen nun eine einheitliche „Sprache“, was die Zusammenarbeit sowie interdisziplinäre Kommunikation erheblich erleichtert. Als Abteilungsleiter kann ich sicher sein, dass die Athletik- und Rehabilitationstrainer Inhalte gezielt in den richtigen Kontext einordnen können.
Zudem sind alle Athletiktrainer in der Lage, Screenings schnell und auf höchstem Niveau durchzuführen. Besonders beim kombinierten Einsatz des RTAA® profitieren wir von dieser Expertise – insbesondere bei rekonvaleszenten Spielern. Dadurch gewährleisten wir in Kombination mit der medizinischen Abteilung einen einheitlichen Mindestqualitätsstandard in unserer rehabilitativen sowie präventiven Arbeit.