Nachgefragt
„Eine pauschale Antwort gibt es nicht“ – Interview mit Prof. Dr. Markus Walther

Prof. Dr. med. Markus Walther ist Chefarzt der Abteilung für Fuß- und Sprunggelenkchirurgie und Ärztlicher Direktor der Schön-Klinik München-Harlaching und des FIFA Medical Centers München. Im Interview verrät der Experte, wann eine OP bei Fuß- und/oder Sprunggelenksverletzungen notwendig sein kann, gibt Literaturtipps und zeigt, warum eine TEP bei Sprunggelenkarthrose sinnvoll sein kann.

Im Sport dominieren Bandverletzungen rund um das Sprunggelenk. Während die Mehrzahl der Außenbandverletzungen sehr gut konservativ behandelt werden kann, erfordern Verletzungen des Deltabandes oder der Syndesmose ein differenzierteres Vorgehen. Die besondere Herausforderung bei diesen Verletzungen ist, die Patienten zu identifizieren, welche bei konservativer Behandlung keine gute Prognose haben.

Wie erfolgt die Entscheidung, ob eine Verletzung an Fuß oder Sprunggelenk konservativ oder operativ versorgt wird? Gibt es klare Kriterien? Welche?

Eine pauschale Antwort auf diese Frage gibt es nicht. Ob eine Verletzung an Fuß oder Sprunggelenk konservativ oder operativ versorgt wird, hängt von der Pathologie ab und davon, ob mit einer operativen oder konservativen Behandlung ein besseres Ergebnis erzielt werden kann. Neben der Verletzung selbst spielen auch der Patient und seine Erwartungshaltung eine große Rolle. Ein gutes Beispiel hierfür ist die Achillessehnenruptur. Es ist ein großer Unterschied, ob ich einen 25jährigen Sportler mit intakten Weichteilen und ohne relevante Risikofaktoren vor mir habe, oder einen 75jährigen Patienten mit Varikosis und Stauungsödemen. Für den einen ist das Risiko einer Kraftminderung, welches bei der konservativen Behandlung der Achillessehnenruptur im Vordergrund steht, ein großes Problem. Für den anderen ist das Hauptproblem die mögliche Wundheilungsstörung als Hauptrisiko einer Operation. Auch werden beide das „gute Ergebnis“ ganz unterschiedlich bewerten. Es gibt Patienten, deren Ziel ist es, selbstständige Mobilität zu erhalten; für andere ist das Ergebnis erst gut, wenn sie wieder im Leistungssport Bestleistungen erzielen. Alle diese Faktoren muss man mit dem Patienten im Vorfeld einer Behandlung besprechen. Erst dann kann man im Hinblick auf die erlittene Verletzung, die individuellen Faktoren und das Therapieziel zusammen mit dem Patienten eine gute Entscheidung für eine spezielle Behandlung treffen.

Was bedeutet eine operative Versorgung für die Nachbehandlung (Unterscheide?)?

Nach einer operativen Behandlung steht gerade an Fuß und Sprunggelenk zunächst die Wundheilung im Vordergrund. Solange die Wundheilung nicht abgeschlossen ist, sind die Möglichkeiten einer intensiveren Beübung oft limitiert. Der Vorteil der operativen Behandlung ist, dass die durch eine Operation erreichte Stabilität oft eine schnellere und intensivere Mobilisation erlaubt. Auch wenn nach vielen Operationen Walker oder Schienen verwendet werden: Es ist nur sehr selten der Fall, dass die Extremität mit dem Therapeuten nicht bewegt werden darf.


Seminarhinweis

Onlineseminar Update: Fußchirurgie

19.09.2022, 19:00-21:30 Uhr

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Wie sieht optimaler Weise die Zusammenarbeit zwischen Arzt/Operateur und Therapeut aus?

Der Therapeut verbringt wesentlich mehr Zeit mit dem Patienten als der Arzt. Insofern ist er eine wichtige Informationsquelle für ihn und auch ein Berater während des Heilungsprozesses. Im Idealfall haben sich Arzt und Therapeut hinsichtlich der Therapieziele und der Behandlungsstrategie abgestimmt. Extrem hilfreich ist, wenn man sich gegenseitig kennt und auch regelmäßig miteinander spricht. Der Therapeut sollte sich dabei nicht scheuen, auf den Arzt zuzugehen, wenn er mit dessen Angaben nicht zurechtkommt.

Sie werden in Ihrem Onlineseminar am 19.09. auch auf die Arthrose im Sprunggelenk eingehen. Warum hat sich eine TEP mittlerweile als gute Behandlungsoption entwickelt? Wo liegen Vor- aber eventuell auch Nachteile?

In den letzten 15 Jahren hat die Sprunggelenkendoprothetik einen enormen Entwicklungsschub verzeichnet. Ein wesentlicher Faktor hierbei war, die Sprunggelenkendoprothese als Baustein eines Konzepts der Rückfußrekonstruktion zu sehen. Mehr als an anderen Gelenken geht es am Sprunggelenk nicht nur darum, die Prothese technisch gut einzubauen. In sehr vielen Fällen sind Zusatzeingriffe erforderlich, wie Achskorrekturen oder Bandstabilisierung. Achse und Biomechanik müssen am Sprunggelenk wiederhergestellt werden, dann ist die Implantation einer Sprunggelenkendoprothese ein sehr gutes und erfolgreiches Verfahren. Lassen sich Achse und Biomechanik nicht wiederherstellen, sind auch klar die Grenzen einer Endoprothese am Sprunggelenk erreicht. Dies gilt beispielsweise für Lähmungen mit fehlender muskulärer Kontrolle oder operativ nicht korrigierbarer Deformitäten. Hier ist dann die Arthrodese des Sprunggelenks die zuverlässigere Lösung.

Der große Vorteil einer Endoprothese am Sprunggelenk ist die erhaltene Beweglichkeit. Diese erhält die Muskelfunktion der unteren Extremität und vermeidet eine Überlastung der angrenzenden Gelenke. Die bei der Arthrodese des Sprunggelenks gefürchtete Anschlussarthrose der angrenzenden Gelenke wird nach einer Endoprothese des Sprunggelenks so gut wie nicht beobachtet. Leider unterliegen auch Prothesen am Sprunggelenk einem gewissen Verschleiß. Die vor zehn Jahren eingebauten Sprunggelenkendoprothesen funktionieren noch in über 90 Prozent der Fälle gut. Die Daten deuten darauf hin, dass aktuelle Prothesenmodelle eine noch bessere Haltbarkeit aufweisen. Sollte sich eine Sprunggelenkendoprothese lockern, ist in Zentren für Fuß- und Sprunggelenkchirurgie eine Wechseloperation inzwischen ein Routineeingriff, der regelmäßig durchgeführt wird. Die Aussage, dass eine gelockerte Sprunggelenkendoprothese zwingend in einer Gelenkversteifung endet, ist inzwischen überholt.

Welche Literatur / Publikationen können Sie unseren Teilnehmern zu Vor- und / oder Nachbereitung des Seminars empfehlen?

Ich würde allen Teilnehmern die folgenden Veröffentlichungen ans Herz legen:

  • Walther M, Hörterer H, Gottschalk O: Syndesmosenverletzungen – Anatomie, Verletzungsmuster und Diagnostik. Sportphysio 2022; 10(02): 59-65
  • Walther M, Gottschalk O, Hörterer H: Syndesmosenverletzungen – operative und konservative Therapie. Sportphysio 2022; 10(02): 66-72
  • Claaßen L, Ettinger S, Yao D, Lerch M, Stukenborg-Colsman C, Plaaß C: Operative Verfahren zur Korrektur und Stabilisierung des Pes planovalgus Orthopäde. 2020 Nov;49(11):968-975
  • Röser A, Altenberger S, Walther M: Sprunggelenk Endoprothetik. MMW Fortschr Med. 2017 Sep;159(16):48-51


Das Gespräch führte Nils Borgstedt


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