Interview
„Damit sind wir sehr gut gefahren“ – Athletiktrainer Simon Storm vom FC St. Gallen 1879 im Interview

Nach langer Pause rollt auch in der Schweizer Raiffeisen Super League wieder der Ball. Wir haben mit Simon Storm, Athletiktrainer des FC St. Gallen 1879, über die besondere Situation für Mannschaft und Trainerteam gesprochen. Im Fokus: Training und Herausforderungen in dieser besonderen Zeit.

OSINSTITUT: Wie habt ihr in Zeiten mit Kontaktbeschränkungen trainiert? Wie habt ihr das Ganze gestaltet?

Simon Storm: Die Situation war für uns alle ja sehr besonders und für jeden persönlich ziemlich schwierig. Niemand wusste, wie lange es dauern wird, was noch alles auf uns zukommt. Aber: Wir haben uns von Anfang an darauf eingestellt, dass diese spielfreie Phase länger dauern könnte. Wir haben daher unsere Spieler erstmal in die Ferien geschickt, sodass auch unsere ausländischen Spieler zu ihren Familien konnten.

OSINSTITUT: Wie sah das Training in dieser Zeit aus?

Simon Storm: Wir haben den Spielern Trainingsprogramme zur Verfügung gestellt, die sie nach Bedarf und Möglichkeiten machen konnten. Die Voraussetzungen waren teilweise sehr unterschiedlich. Manche Spieler waren zum Beispiel in Spanien und durften das Haus nicht verlassen. Diese haben dann mehr auf dem Hometrainer arbeiten müssen als diejenigen, die auch mal eine Runde laufen gehen konnten. Im Nachhinein kann ich sagen: Damit sind wir sehr gut gefahren. Die Jungs konnten drei Wochen mal richtig runterfahren. 

Anschließend haben wir allen Spielern weiterhin sehr viele Übungen als Videomaterial zur Verfügung gestellt und mögliche Kombinationen an die Hand gegeben. Die Spieler konnten sich so ihr Training sinnvoll selbst gestalten.


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OSINSTITUT: Da habt ihr ja ganz schön auf die Eigenverantwortlichkeit der Spieler gesetzt.

Simon Storm: Ja, schon. Ich war aber natürlich regelmäßig mit den Spielern in Kontakt und wir haben auch einen Rahmen vorgegeben – jeden Tag laufen oder jeden Tag Kraft macht natürlich keinen Sinn. Aber ansonsten haben sie schon eigenverantwortlich entschieden, welches Training sie sich aussuchen oder ob sie morgens oder abends trainieren.

OSINSTITUT: Wieso habt ihr das so entschieden?

Simon Storm: Wir haben das zusammen entschieden. Wir haben gemeinsam überlegt, wie wir die Situation am besten lösen können. Dabei ist dann die Idee entstanden, den Spielern ein bisschen Freiraum einzuräumen. Die Situation war mit Social Distancing, immer weiter steigenden Fallzahlen und einer latenten Unsicherheit ohnehin schon sehr belastend. Und da wollten wir zumindest im Training für etwas weniger Druck sorgen.

"Das ist für uns alle eine neue Situation"

OSINSTITUT: Jetzt geht in der Schweiz die Saison auch wieder weiter. Wettkampfbelastung war aber in Zeiten von Corona relativ selten bis gar nicht vorhanden. Sorgt ihr euch vor mehr Verletzungen?

Simon Storm: Nein, eigentlich nicht. Klar, wir hatten fast neun Wochen, in denen es nur Ferien und Hometraining gab. 

Im Vergleich zu Deutschland hatten wir aber im Anschluss eine sechswöchige Vorbereitung, in der auch Mannschaftstraining wieder erlaubt war. In dieser Zeit haben wir intensiv trainiert, auch mit 90-minütigen Einheiten. Dazu haben wir zwei Freundschaftsspiele und ein drittes internes Trainingsspiel absolviert. Insofern haben wir sehr gut gearbeitet, um Verletzungen entgegenzuwirken.

OSINSTITUT: Und dazu kommt, dass man ja auch insgesamt fünfmal wechseln darf. Das hilft natürlich bei der Belastungssteuerung.

Simon Storm: Absolut. Spannend wird es aber trotzdem. Wir spielen jetzt im Grunde sechs Wochen lang englische Wochen. Das ist für uns alle eine neue Situation. Da weiß natürlich niemand, wie das ausgeht. Das wird eine interessante Phase.

OSINSTITUT: Habt ihr bestimmte Testes durchgeführt, um die Belastungsfähigkeit der Spieler nach der Corona-Pause zu bestimmen? Den RTAA zum Beispiel?

Simon Storm: Den RTAA machen wir mit allen verletzen Spielern, mit den fitten noch nicht. Das liegt vor allem daran, dass unser Trainer- und Betreuerstab nicht so groß ist wie beispielsweise in der Bundesliga. Aber die verletzten durchlaufen den RTAA und wir passen anhand der Ergebnisse die Belastung an. Ansonsten arbeiten wir viel im präventiven Sinne, viel im Kraftbereich und durchaus intensiv. Ich bin der Meinung, unsere Jungs sind bereit. 

OSINSTITUT: Habt ihr in den sechs Wochen Mannschaftstraining dann eine richtige Vorbereitung gemacht, als würde eine neue Saison losgehen?

Simon Storm: Ja, das kann man so sagen. Es war aber trotzdem eine neue Situation. Noch nie hatten wir neun Wochen keinen Fußball, noch nie hatten wir sechs Wochen Vorbereitung. Im Grunde haben wir die sechs Wochen aber wie eine normale Saisonvorbereitung gestaltet. Einziger Unterscheid: Wir hatten weniger Testspiele, weil die am Anfang noch nicht erlaubt waren.

OSINSTITUT: Was war für dich als Athletiktrainer die besondere Herausforderung?

Simon Storm: Für mich war vor allem der Start besonders. Wir haben eine enorm junge und hungrige Mannschaft – und die war nach so langer Zeit richtig heiß auf Fußball. Es ging mit dem ersten Mannschaftstraining gleich von null auf hundert. Das mussten wir sehr gut steuern; mit guten Warm-Ups, guten regenerativen Maßnahmen, vielen Gesprächen auch mit den Spielern und  Trainern. Alle hatten extrem Bock, da galt es Überlastungen zu vermeiden.

OSINSTITUT: Haben euch dabei Daten geholfen, die ihr früher schon einmal erhoben habt? Sodass ihr einen Status Quo hattet, den ihr mit den Spielern nach der langen Pause wieder erreichen wolltet?

Simon Storm: Wir haben gleich am Anfang mal einen Laktatstufentest gemacht und im Krafttraining wissen wir natürlich, was die Jungs jeweils in der Regel leisten können. Anhand dessen haben wir einen Überblick bekommen, wo die Mannschaft steht und konnten dann das Training individuell gestalten. Aber eine große Testung haben wir nicht durchgeführt. Es stand der Fußball im Fokus.

Das Gespräch führte Nils Borgstedt

Bilder: Titelbild (c) OSINSTITUT; Porträt (c) FC St. Gallen 1879